Skip to main content

16.6. - 20.6.2023

Vielleicht wird mit der Klima-Erwärmung die Ostsee die neue Adria, nicht zu heiss, sondern angenehm warm und im Sommer lange hell

Stettin bis Ueckermünde im Stettiner Haff

Vom Marina-Club-Hafen Stettin (KM 738) über den Regalica Kanal, den Warnica-Waschodnia Kanal, in die Oder (KM 67) an der Stettiner Industrie vorbei. Einen Containerhafen habe ich nicht gesehen, werden doch wahrscheinlich eher Schütt- oder Flüssiggüter angeliefert. Über das Pappenwasser ins Stettiner Haff mit einer Übernachtung in der Marina Trzebiez (auf deutsch: Ziegenort KM 36) nach Ueckermünde am Stettiner Haff (Distanz 42 KM) . Wir haben uns sehr genau an die vorgegebene Wasserstrasse gehalten, sind doch in diesem Gebiet einige Untiefen bis Felsen neben den Fahrwegen anzutreffen und die Fischernetze werden ausgiebig ausgelegt. Mit GPS und dem Autopiloten sind diese unsichtbaren Strassen aber einfach zu befahren. Die roten und grünen Tonnen geben zusätzliche Sicherheit über den richtigen Weg.

Am Freitagabend sind Andi und Lise Moser bei uns eingetroffen. Mit dem Zug haben sie Deutschland durchquert und sind von Winterthur über München, Berlin nach Neubrandenburg gekommen. Der Folgezug hat leider die Verspätung nicht abgewartet und sie sind schlussendlich mit dem Taxi in Stettin eingetroffen. So konnten wir, zwar spät, aber gemütlich ein feines Nachtessen in der Altstadt geniessen.

Lise und Andi sind das erstemal auf der Parcosola und sie geniessen das unbekümmerte Leben an Bord. So unbekümmert war das zwar nicht, funktionierte doch die Gästedusche nicht und der Elektrolandanschluss versagte wieder mal. Irgendwie löste eine versteckte Sicherung aus und die Victron Elektronik regelte, aus welchen Gründen auch immer, die ich nicht verstehe, die 230 Volt Anlage auf «aus» und wir hatten keinen Herd und keinen Kühlschrank. Also nichts Warmes und auch nichts Kaltes. Mit der Fernhilfe unseres Bordelektronikers aus Berlin ist nun alles wieder im Lot.

Der Sonntag war natürlich ein Freudentag, sind doch in der Schweyz eine Abstimmung und eine Wahl ganz in unserem Sinne ausgegangen. Den Wahlkampf von Martina Blum, Grüne, haben wir, also meyne Marianne und ich, sehr unterstützt und sie ist als neue Stadträtin von Winterthur gewählt worden. Und das neue Klimagesetz ist mit schöner Mehrheit angenommen worden. Dieses ist ein bundesrätlicher Gegenvorschlag zur Gletscher Initiative, bei der ich im Vorstand bin. National- und Ständerat entschieden sich für den Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative und wir vom Vorstand erwägten einen bedingten Rückzug unserer Initiative, wenn kein Referendum gegen den Gegenvorschlag ergriffen würde oder die dannzumalige Abstimmung in Sinne des Gegenvorschlages erfolgen würde. Es ist immer eine lange Reise. Vom Start einer Initiative, Formulierung der anzuwendenden Gesetzestexte, der Unterschriftensammlung, der Motivation von Parteien und Verbänden. Und das Abwarten, bis die Regierung darauf eintritt und wie. Also macht sie einen Gegenvorschlag oder nicht? Und wie gestaltet die Exekutive diesen aus? Können wir damit leben oder nicht? Ich bin zwar bereits zum dritten Mail im Vorstand einer nationalen Initiative. Es ist aber immer wieder ein unglaublich interessanter Prozess und man hat nie ausgelernt. Nun ist wieder was geklärt und vom Tisch.

Am Montagmorgen verliessen uns die beiden Gäste Lise und Andi leider bereits schon wieder, mussten sie doch am Dienstag bereits wieder auf ihre Enkel aufpassen.

Hier im Seebad Ueckermünde, einer Stadt mit etwas über 10'000 Einwohnern, die so heisst, weil sie an der hundert Kilometer langen Uecker und an der Mündung in das Stettiner Haff liegt. Die attraktiv hübsch sanierte Altstadt mit einem einladenden Stadtplatz mit einigen netten Restaurants, macht uns Freude. Sogar eine Bibliothek und ein Buchladen zieren die Einkaufsmeile. Kleinere lokale Geschäfte anstelle der weltumspannenden Mode- und Schönheitsketten geben dieser City einen besonderen Charme. Bereits dienstags ist ein Konzertabend angesagt. Sicher dreihundert Personen drapierten sich in den am Platz liegenden Beizen und den eigens dafür aufbauten Rum Bars. Gemütlich aber sicher nicht revolutionär klang der Sound des Alleinunterhalters, der wahrscheinlich eine Pause auf einem Flusskreuzfahrtschiff nutzte, um etwas dazu zu verdienen und das Durchschnittsalter der Zuhörer von fünfundsiebzig auf fünfundsechzig zu senken. In Erinnerung an die früher in fünf Stern Hotels zelebrierten «Thé Dancants» bei denen man sonntags gut gekleidet an Club Tischen sass. Die Lady ein Glas Champagner und der Monsieur seinen Bourbon trank und er natürlich mit einer De Huifkar Zigarre die Atemluft massiv drangsalierte. Alle lauschten den Klängen der fünfköpfigen und hauseigenen und kravattierten Hotelcombo mit weissen Jacketts und wagten zwischen Canapés auf Toast mit abgeschnittener Rinde ein Tänzchen mit Slowfox, Bossa-Nova, Tango oder English-Waltz. Wie früher in den edlen Hotellobbys war auch auf dem Stadtplatz von Ueckermünde die Tanzfläche nicht zum Bersten voll.

Im Stadthafen legen viele Segler und Bootsfahrer an, die das Stettiner Haff durchkreuzen und um die Insel Usedom fahren. Marianne hat per Velo den flachen Sandstrand, inklusive der obligaten Strandkörbe und den Fischbrötchen erkundet. Um dem Geschmack des Herings sich langsam zu nähern hat sie sich noch für ein Lachsbrötchen entschieden. Mit rund fünfzig Kilometer flacher Velofahrt durch hübsche Dörfchen, lange Alleen von Lindenbäumen, Wälder und Felder hat sie ihre Muskeln aktiviert und einen bunten Sommer Floor für unsere Tischdekoration an Bord gepflückt. Das E-Bike blieb an Bord.

Hier ist das Klima sehr mild. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Region eine rosige Zukunft vor sich hat, wenn es rund um das Mittelmeer immer heisser wird, sind doch die Tage im Sommer hier nicht nur schön warm, sondern sie sind auch sehr lang. Es wird erst so richtig dunkel um elf Uhr. Allerdings ist ja morgen auch der längste Tag.

About the author

Chrigel Hunziker und Marianne Ott