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30.6.2023

Mail an einen Freund, der zurzeit alles immer so schlecht und negativ sieht

In Karlshagen (Usedom)

Mein lieber Jollie

Jetzt bist du aber schön in einer Depro Phase, lass dich ein bisschen aufmuntern, ich denke das wird mir gelingen oder mindestens um deine Zukunftsvisionen etwas lockerer zu sehen, mein Lieber. Ich weiss, ich sehe viele Dinge eher aus der positiven Betrachtungsecke. Klönen, hadern, den Kopf in den Sand stecken und alles Neue negieren, bringt auch nichts. Versuchen wir es.

Zu Beginn, das Ende des unaufhörlichen Bevölkerungswachstums hat bereits eingesetzt. Wir sind zurzeit erstmals auf einer Wachstumsrate von unter einem Prozent. Stand der Wissenschaft ist, dass der Zenit etwa 2040 erreicht sein wird bei etwa 8.5 Mia. Menschen. Und Ende des Jahrhunderts sollen es etwa 7.5 Mia. sein. Gründe dafür gibt es viele, wie bessere Sozialsysteme, die nicht auf der Basis von vielen Kindern die Altersvorsoge sichern, verbreiteter Reichtum, besser entwickeltere Gesundheitssysteme, wir werden zwar älter, haben weniger Kinder, aber das ist nicht mein Thema, das ist Metasoziologie, da habe ich mich nicht eingelesen. Du hast natürlich vollkommen Recht, dass die Menschen von sich aus keine oder nur marginale Änderungen vornehmen und schon gar keine Rückschläge in Sachen Erreichtes annehmen oder umsetzen wollen. Aber sie können sehr gut mit Ersatz, ich sag mal Ersatz-Goodies ihre was auch immer Bedürfnisse befriedigen. Zuerst einige Beispiele wie sogenannte Rückschläge doch einfach hingenommen wurden: Rauchverbot in der Beiz vor 20 Jahren unvorstellbar und dann haben die Italiener und Iren dies noch als erste umgesetzt und heute ist es unvorstellbar, in der Beiz zu rauchen. Oder Gurtenobligatorium, dagegen wurde die Autopartei erfunden, heute gibt es sie nicht mehr. Da gibt es noch hunderte von Beispielen.

Die Transformation in Sachen Energie ist doch schon sehr weit oder aus meiner Sicht fast schon umgesetzt. Nehmen wir nur mal den Kanton Zürich. Das Gebäude-Energie-Gesetz (GEG), das zur Zeit in Deutschland diskutiert wird, haben wir in der Schweiz bereits seit 20 Jahren. Ob das nun in der BRD jetzt oder in einem Jahr eingeführt wird, ist eigentlich egal, aber es wird eingeführt. Bei uns im Kanton sind seit September 2022 Gas- und Ölheizungen verboten. Und nun haben wir das Klimagesetz, das als Gegenvorschlag auf die Gletscherinitiative angenommen wurde und die United Nation SDGs (Sustainable Developement Goals), die von der Schweiz 2017 ratifiziert wurden und nun von politischen Zielen in gesetzliche Ziele umgewandelt wurden. Zum Beispiel 2050 netto Null in Sachen CO2. Diese Ziele gehen in die gleiche Richtung wie die Bundesrätliche Energiestrategie 2050. Hier bei uns ist es fast nicht mehr möglich, politisch hier noch was abzuändern. Auf EU Ebene wurde letztes Jahr bestimmt, dass ab 2035 keine fossilen Fahrzeuge mehr in Betrieb gesetzt werden können. Nur noch E-Fuel Fahrzeuge, die der bekloppte Wissing in der EU noch final durchgesetzt hatte. Ist aber auch kein Problem. E-Fuel darf nur verwendet werden, wenn dieser mit alternativ Energien erzeugt wurde. Also es dürfen keine Pflanzen, wie Mais dafür verwendet werden. Wir benötigen die Flächen, um Lebensmittel herzustellen. Vor allem benötigt die Herstellung von E-Fuel sechsmal mehr Energie, als wenn du direkt mit Strom fährst. Oder anders gesagt, wenn du mit einem Windkraftwerk 100 E-Autos betreiben kannst, benötigst du sechs Windmühlen um mit dem daraus produzierten E-Fuel mit den Verbrennerkarren gleich weit zu kommen. Wahrscheinlich wird das niemand oder nur wenige bezahlen wollen. Ja, das ist halt Physik. Dann gibt es so wenig E-Fuel Tankstellen wie heute Elektroladestationen. Übrigens China hat das Ziel 2060 netto Null in Sachen CO2 und kann bereits heute, 2023, bei den Neuverkäufen von PKWs jedes vierte (25%) als Elektro- oder Hybrid-Fahrzeug verzeichnen. Mal schauen ob uns die Chinesen noch überholen.

Hast du die Szenarien im Landboten über die Schweyzer Stromversorgung bis 2050 gesehen? Sehr interessant. Es sind fünf Szenarien aufgeführt, von weiter so bis aber immer noch realistisch nach Grossen (GLP). Alle haben das AKW Verbot berücksichtigt und es hat bei den ambitionierten Versionen im Sommer klar einen massiven Überschuss durch Solarkraft und den niedrigen Verbrauch durch Heizungen (nur Warmwasser), welcher in Wasserstoff verwandelt werden soll. Im Winter kann dann mit den Wasserstoff in CO2 neutralen Gaskraftwerken Strom erzeugt werden. Oder wir haben noch mehr übrigen Wasserstoff; mit dem könnten Flugzeuge, grosse Schiffe, die Industrie oder andere industrielle oder thermo-chemische Prozesse betrieben werden. Kleinere Schiffe, also doch so gross wie die Bodenseeflotte sollen bis 2030/35 voll elektrisch funktionieren. Anstelle von Seilen werden sie mit Magneten das Schiff festmachen. So nebenbei. Das Wichtigste aber in all diesen Szenarien ist, ohne dass dies auch nur erwähnt wurde (habe es einfach nicht gelesen), dass alle Autos und die Heizungen mit Wärmepumpe elektrisch betrieben werden, ist in diesen Szenarien bereits einberechnet. Und übrigens: wir sind bereits auf gutem Weg: 2012 haben wir etwa 12 Mio. Tonnen Öl importiert und heuer sind es gerade mal ca. 8 Mio. Tonnen. Also haben wir bereits einen Drittel eingespart, obwohl wir mehr Einwohner in der Schweyz zählen. Ich sage immer, wenn wir eine Wärmepumpe installieren, müssen wir bis 2050 nur für eine WP einen ganzen Eisenbahnwaggon weniger Öl importieren. Und wir werden auch noch diese 8 Mio. Tonnen einsparen. Wir kaufen jedes Jahr für CHF 13 Mia. Öl ein. Dies werden wir nicht mehr müssen, wenn wir alles selber produzieren werden. Und in der ganzen ersten Welt hat sich der CO2 Ausstoss seit 1990 immerhin etwas reduziert. Und das wird sich auch fortsetzen, weil die Erzeugung von Strom und Wärme mit sogenannten alternativ Energien heute bereits am preiswertesten ist und das wird sich in der Marktwirtschaft auch durchsetzen. Mit den alternativ Energieanlagen werden wir wahrscheinlich eher wohlhabender.

Da sich fast keine Energiegesellschaften auf Grossanlagen konzentrieren, oder nur wenige, wird sich die Energie Situation in der Schweiz sozialisieren. Das heisst es gibt Millionen von privaten Kraftwerksbetreibern, die grossen E-Werke werden sich mit dem Überschussstrom befassen müssen und Wasserstoff produzieren. Wenn sie keine Lust dazu haben oder zu wenig Geld damit verdienen, wird halt der Staat da einspringen müssen. Wäre aber eigentlich kein Problem: die grossen E-Werke gehören sowieso der Öffentlichkeit, ich glaube zu etwa 98% ausser bei Alpiq da ist es nur etwa 75%. Der Umbau auf alternative Energieanlagen wird sich als Wirtschaftsbooster entwickeln. Das ist ein nationaler Kraftwerksbau.

Die ölproduzierenden Länder werden es schwierig haben, es sind ja eh fast alles Kriegstreiber. Und die Araber sind schneller wieder auf dem Kamel, wie ihnen lieb ist. Die werden ihre künstlich gebaute Welt nicht mehr finanzieren können. Und Russland wird wieder mal Konkurs gehen. Aber im Moment schiessen sie noch. Man muss sich das mal vorstellen, fast ganz Europa kauft nichts oder nur wenig aus Russland und wir merken fast nichts davon, ausser ein paar Schwankungen mit den Energiepreisen. Friede kostet halt was.

Du hast sicher Recht, dass das Trinkwasser ein Problem auf der Welt sein wird. Wir haben aber nicht zu wenig Wasser, sondern wir haben zu wenig sauberes Wasser. Also, wir müssen als erstes dieses Lebensmittel weniger verschmutzen und dann müssen wir es für den Konsum genügend reinigen. All das können wir aber. Wenn man bedenkt, dass bis spät in die 50iger oder sechziger Jahre in den Guidelines der ETH Ingenieur Ausbildung noch geschrieben stand, dass Luft, Wasser und Boden in genügender Menge zur Verfügung steht, sind wir heute schon sehr weit (Schweiz). Die Seen sind fast schon zu sauber (Grünes Anliegen).

Klar, dass es mit dem Wasser auf der Welt noch ein paar Aufgaben gibt. Wo nötig können wir das Wasser reinigen zu bezahlbaren Kosten, mindestens sind sie preiswerter als das Flüchtlingsproblem und das wissen wir auch. In Sachen Verteilung gibt es schon noch ein paar Aufgaben. Es kann doch nicht sein, dass ein Autokrat Schürfrechte an Mining-Firmen verkauft, dieses Geld privat stielt und wir dann für diese Länder Entwicklungshilfe leisten sollen. Übrigens auch ein Teil der Konzernverantwortungsinitiative (Linkes Anliegen). Du weisst ich bin gar kein Kommunist, aber in Sachen Bodenschätzen braucht es dringend sozialere Regeln, wie es sich für eine ökosoziale Marktwirtschaft gehört.

Nun könnten wir noch diskutieren über die Prognosen verbunden mit Warnungen, die z.B. grüne Parteien seit etwa 50 Jahren stellen, die jetzt fast alle eingetroffen sind und sogar von bürgerlichen Parteien als mindestens «good to go» betrachtet werden. Vieles ist auch bereits erreicht worden. Wenn man aber heute sagt, wir sind zu spät, sind die bürgerlichen Parteien eher die Bremsklötze. Ist doch die Marktwirtschaft auf Egoismus aufgebaut und meint natürlich, die anderen sollen es bezahlen. Ich sage aber auch nicht, die Bürgerlichen hätten uns nur schlecht beraten. Sicher soll auch immer alles ökonomisch hinterfragt werden. Aber eben die Bürgerlichen benötigen halt für die richtigen Erkenntnisse einfach etwas mehr Zeit.

Also mein Lieber du siehst, ich sehe das nicht so schwarz wie es gemalt wird. Aber wir haben schon noch etwas Arbeit.

Und trotz aller Scheisse werden wir immer älter, auch gesünder, haben mehr Kohle und mehr Luxus. Irgendwie stimmt mit der Betrachtung etwas nicht, wenn wir immer sagen es geht uns immer schlechter  

 

About the author

Chrigel Hunziker und Marianne Ott