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31.6. - 5.7.2023

Abwettern – seemännischer Ausdruck selbst erlebt

Karlshagen und in die Sommerpause

 

Manchmal kommt es anders und zweites als man denkt. Wir wollten unsere Usedom-Reise etwas westlich in Greifswald beenden. Greifswald ist eine kleine Stadt, hat viel Infrastruktur, wir haben bereits einen Platz im Museumshafen zwischen historischen Schiffen für das Sommerlager, wir können also das Schiff während wir in Winterthur sind und über den Sommer weilen, dort getrost angebunden lassen. Vor allem aber hat es einen Bahnhof mit einem ICE-Anschluss mit dem wir zügig Richtung Berlin und dann nach Hause fahren können. Das Wetter hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht, es sind etwa vier Tage erhebliche Stürme in Norden von Deutschland an der Nord- und Ostsee angesagt. Dem ersten App habe wir nicht geglaubt und haben alle möglichen Wetterinformationen auf dem Netz zusammengesucht. Wie erwartet zeigten alle Vorhersagen dieselben Windstärken mit Sturmwarnungen an. Im Mittel waren die Windstärken von 4 – 5 Beaufort (12 – 28 km/h) mit Böen und in Schauernähe von 7 – 8 Beaufort (50 - 74 km/h) gemeldet. Es sind drei Tiefs zusammengetroffen, eines aus Norwegen, eines aus England und Schottland und das dritte vom Atlantik. Das Zusammentreffen dieser Tiefs zeichnet sich als Urheber für die nicht unerheblichen und lange andauernden Stürme im Norden Deutschlands. Die Seenotrettung SAR (Search and Rescue) hatte alle Hände voll zu tun. Vor unserer Küste hat sogar ein Motorbrand eine Yacht zum Erliegen gebracht. Die Parcosola hat zwar eine Hochsee Klassifizierung B, das wäre eben bis Windstärke 8 und vier Meter hohe Wellen. Aber ob wir dies wollen? Diese Frage stellten wir uns. Nach langem hin und her entschieden wir uns für das Abwettern, das heisst wir bleiben vor Ort, bis das Wetter sich bessert und versuchen nun halt, das Boot über den Sommer in Karlshagen liegen zu lassen und können darum nicht nach Greifswald tuckern. Der Hafenmeister hatte ein gutes Herz und bot uns einen Platz an. Ebenfalls meinte er, die See im Greifswalder Bodden, einer grossen Bucht, fabriziere bei Sturm ganz kurze Wellen, die Ostsee hingegen mache lange Wellen. Wenn diese beiden Wellenphänomene zusammentreffen, ist es grauselig, mit dem Boot zu fahren. Da müssen die Getränke vom Tisch. Ob man bei diesen Winden die Hafeneinfahrt und die Brückenunterfahrten überhaupt trifft, stand für uns in den Sternen. In unserem Hafenbecken hatten die Wellen Schaumkronen, und wir massen mit unserem Windmesser Böen von fast 50 km/h. Also das Schiff wird fest vertäut, der Hafenmeister bringt uns mit dem Auto zum nächsten Bahnhof und wir tuckern mit der Usedomer Bäderbahn (UBB) zum nächsten ICE-Anschluss in Züssow. Von da an haben wir reservierte Plätze bis Berlin und dann einen nächsten ICE direkt bis nach Zürich. Doch bereits vor der Abfahrt in Berlin kommt die Reise ins Stocken. Es gab auf der zu befahrenden Strecke einen Notarzteinsatz, was immer das heisst, bei uns wäre dies ein Lebensselberaufgeber. Das gab eine völlige Umleitung des ICE’s und zum Zweiten spielten noch Kinder auf den Geleisen, und der Zug erhielt nochmals eine weitere Verspätung. Gegen Ende des Tages waren wir etwa 14 Stunden im Zug. Irgendwie genug.

Die erste Schiffs-Reisezeit dieses Jahres geht zu Ende. Einen weiteren Meilenstein haben wir erreicht, haben wir doch etwas über 10'000 Schiffkilometer auf Fluss, Kanal oder dem Meer hinter uns. Irgendwie kann von einer gewissen Routine gesprochen werden. Trotzdem gehen wir Vieles mit grossem Respekt und Vorsicht an. Die Gewalten der Natur können grausam sein. Ich denke das Ganze ist kein Abenteuer, aber es «bizzeli» Nervenkitzel hat es halt schon. Wir wünschen eine gute Zeit bis nach den Sommerferien.

 

About the author

Chrigel Hunziker und Marianne Ott